Stabübergabe in Jüterbog

Michael Kohlhaas trifft auf Michael Kohlhaas


Der Regisseur Hans-Joachim Frank und seine beiden Kohlhaas (Heinrich Claasen, Matthias Zahlbaum)

Theater ist ohne Menschen nicht zu denken. Eine simple Feststellung, die das theater 89 in vielen seiner Aufführungen noch einmal zuspitzt. Seit Jahren setzt der Künstlerische Leiter und Regisseur Hans-Joachim Frank Stücke und Texte mit Menschen in ihrer Umgebung in Szene. 

Das Publikum wohnt seinesgleichen auf der Bühne oder unter freiem Himmel bei. Es erlebt eine Fortführung berühmter Theatertraditionen, beispielsweise der von Hans Sachs, dem Schuster, Dramatiker und Meistersänger, der seine Spiele immer mit den Menschen vor Ort inszenierte. Auseinandersetzung und Identifikation finden direkter statt, als stünden nur Schauspieler auf der Bühne. Die aber agieren im theater 89 entweder Seite an Seite mit den jeweiligen Einwohnern und / oder verleihen durch Tonbandeinspielungen den authentischen Darstellungen ihren Rahmen. 

So soll’s auch wieder beim MICHAEL KOHLHAAS von Heinrich von Kleist werden, dessen Aufführungen für den 30. und 31. Oktober in Jüterbog mit Unterstützung von Stadt und Land vorgesehen sind. Es sollen fünfzehn Spieler plus Chöre und Artisten zu bewundern sein, ingesamt vierzig Menschen.

Doch müssen wir hier eine Änderung annoncieren. Heinrich Claasen, der den Kohlhaas bereits seit Februar 2016 mit Hans-Joachim Frank erarbeite, muss aus gesundheitlichen Gründen, „schweren Herzens“, wie er sagt, seine Rolle zur Verfügung stellen. Das ist auch für Hans-Joachim Frank  äußerst schmerzlich.

Claasen, nicht nur durch seine Claasen Gebäudetechnik Jüterbog GmbH eine stadtbekannte Persönlichkeit, erinnert sich bei unserem Gespräch noch an die ersten Proben. Als er die Hände rang und rief: „Mein Gott, das ist ja ein Ein-Mann-Stück!“ Da konnte er sich noch nicht vorstellen, wie er jemals den Textkoloss mit seinen Kastensätzen bewältigen sollte. Hans-Joachim Frank nickt: Es sei das Beste und Schwierigste, was wir an Dichtung in Deutschland haben. Aber beharrlich, voll spielerischem Ehrgeiz eignete sich Heinrich Claasen die Kleistsche Sprache bei den wöchentlichen Probenterminen an. 

Auch er setzte sich einem Rechtsstreit aus um eine Straße, die über sein Grundstück führte. Das ging bis vors Bundesverwaltungsgericht und Heinrich Claasen hat den Prozess – verloren. Als wär`s aus dem Michael Kohlhaas. Und somit galt, was der Regisseur bezeichnet als „die Besetzung ist die Konzeption“. 

Jetzt übernimmt der beliebte theater 89-Schauspieler Matthias Zahlbaum die Rolle des Kohlhaas. Es wird erst einmal wieder gelesen und neu begonnen. Die Konzeption wird sich verändern, das ist klar. Dann soll die Tonaufnahme erstellt und spätestens ab Juli draußen geprobt werden.

Als die beiden Kohlhaas auf der Probe sich erstmals begegnen, ruft Heinrich Claasen ein ermunterndes “Wirst es schon machen!”. Matthias Zahlbaum kontert: “Allein wegen dir!”

Wir denken, Heinrich Claasen wird es sich nicht nehmen lassen, bei der Aufführung im Publikum zu sitzen, um genau zu begutachten, wie sein professioneller Kollege den Kohlhaas so anlegt …

Ronald Richter, 11. Mai 2017

Mehr zum Thema: 
Theaterstück führt zurück in die Zeit der Reformation
KOHLHAAS – gefördert